Samiullah Rasouli | Foto @ Rottkay

Frauen

Samiullah Rasouli

Ghazni, Afghanistan

 

Wenn ich sage, Frauen, dann meine ich echte Frauen,
diejenigen mit Brauen, Nasen und Schultern.
Die von Beginn an nur sich selbst gehören,
die nicht selbstsüchtig sind und stolz auf ihre Gaben,
die sich in ihrer einfachen Schlichtheit lieben
und einfach nur sie selbst sein wollen
und keiner anderen ähneln.
Diese Frauen meine ich, wenn ich sage Frauen.

Das Licht in ihrem Blick ist wie der Duft von Kobeko*
Ihre wohlwollende Hand ist unvergleichlich wertvoll.
Die Weisheit scheint unter ihrer Schminke hervor.

In Schönheit schreitet sie in der Öffentlichkeit.
Der wässrige Mund der Gaffer ist ihr gleich.
Die selbstbewusste, starke Frau verfolgt ihre Gaben und Talente.

Einige Frauen bleiben zuhause, sie lösen sich auf und werden zu Wasser.
Und diejenigen, die rausgehen, werden zu Brot und Speisen.
Und wenn ich sage Frauen, meine ich diese Frauen.

*Parfum mit dem Namen “Berg an Berg”
Samiullah Rasouli | Foto © Rottkay

Samiullah Rasouli (*1999)

Samiullah Rasouli wuchs in Ghazni, Afghanistan, auf. Die Region ist bis heute immer wieder umkämpft. Sein Vater starb vor vier Jahren. Vier Wochen war Samiullah auf der Flucht. Kürzlich begann er eine Lehre zum Hotelkaufmann. Seine Gedichte handeln von der Liebe und der Sehnsucht nach dem Vater. Foto © Rottkay

Nimruz

Samiullah Rasouli

Ghazni, Afghanistan

 

Wir saßen auf der Ladefläche des Transporters,
in der Wüste von Nimruz, als wir sieben Leichen sahen.
Wer hatte diese armen Menschen umgebracht?
Alle stiegen aus, um die Toten anzusehen.
Die Männer waren jung, 20, 21 Jahre alt,
alle tot, bis auf einen.

Er atmete noch.

Das Blut an seinem Körper war bereits getrocknet.
Wir fragten ihn: »Was ist passiert?«
Er sagte leise: »Räuber.«
Sie waren überfallen und ausgeraubt worden.
Der Sterbende warnte uns:
»Diebe, Diebe, nehmt einen
anderen Weg.«
Wir flohen und ließen ihn liegen.

Hätte ich etwas anderes machen können?

 

mehr: Samiullah Rasouli

Vater

Samiullah Rasouli

Ghazni, Afghanistan

 

Hundert Küsse sende ich dem Staub,
den deine Füße aufwirbeln.
Hundertmal Wehmut musstest du erleiden, um Brot zu finden.
Könnte ich doch zu den Schwielen deiner Hand werden.

Nicht einmal klagtest du und sagtest, du seist müde.
Ich verneige mich vor deinem Opfer.
So wie man um die Kaaba kreist,
will ich um dich kreisen.
Aber auch das reichte nicht,
um deine Mühsal aufzuwiegen.

 

Samiullah Rasouli

Samiullah Rasouli | Foto @ Rottkay

Liebe

Samiullah Rasouli

Ghazni, Afghanistan

 

Wenn Du mich wegen meiner Schönheit liebst,
dann lieb mich nicht.
Liebe stattdessen die Sonne und ihre Strahlen.

Wenn du mich für meine Jugend liebst,
dann lieb mich doch lieber nicht.
Verlieb dich dann lieber in den Frühling,
weil er doch jedes Jahr wiederkommt.

Wenn du mich wegen meines Geldes liebst,
dann lieb mich doch lieber nicht.
Dann lieb doch lieber den Pari*.

Wenn du mich liebst,
weil ich der richtige Junge bin,
dann sollst du mich lieben.
Liebe mich so lange,
solange ich Deine Liebe erwidern kann.

*mythologischer Fisch, der Rubine und Smaragde im Mund trägt.

 

Kurzporträt Samiullah Rasouli