Yasser Niksada | Foto © Rottkay

Spuren

Yasser Niksada

Panshir, Afghanistan, aufgewachsen in Iran

 

Sei neben mir und sieh,
was mir geschehen ist.
 
Es ist vorbei, die Spuren noch im Herzen.
 
Kein Platz für mich für Schlaf in diesem Bus.
 
Die Füße vertrocknet, der Traum versank im Auge.
 
Die Polizei sagte Stopp.
Geht zurück, geht zurück.
Alle dann in den Waggons, nur ich allein auf dem Gleis.
Das Schlauchboot sank und mein heißes Herz für Europa wurde kalt.
Die Welt schlief, nur wir waren wach,
hungrig, durstig, müde.
Wir sind ja weggegangen, schwieriger wird es, zurückzukehren.
Das ganze Sich-Zerreißen, für ein bisschen Ruhe.
Nicht meine Ruhe.
Die Ruhe meiner Familie.

Foto © Rottkay

Yasser Niksada (*2002)

Yasser Niksada stammt aus dem Panshir-Tal in Afghanistan. Vor zehn Jahren flohen die Niksadas nach Teheran, dort lebt die Familie als Flüchtlinge. Aber das ist kein Leben, sagt Yasser. Deshalb schickte die Familie ihn auf die Reise nach Europa. In Deutschland vermisst Yasser seine Familie. Foto © Rottkay

Über Teheran

Yasser Niksada

Panshir, Afghanistan

 

Ich selbst bin nur die Erzählung eines Flüchtlings in Iran.
Die Schuld von Generationen habe ich auf mich geladen,
und bin gezwungen, diese abzutragen.

Iraner, eure Lieblosigkeit zielt auf mich.
Weil ich Afghane bin.

Lernt doch, nicht wie die Tyrannen zu sein,
nicht allein als Nationalisten zu handeln.
Wir müssen verstehen, alle Menschen
mit einem Auge zu betrachten.

Ich lehrte mich selbst, die Ungerechtigkeiten,
die ich durch euch erfuhr,
nicht als Groll in mich sickern zu lassen,
um nicht auch wie ein Tyrann zu werden.

Es liegt ja nicht im Schicksal, dass alle Menschen glücklich sind.
Als Flüchtling wurde ich ein Charakter, über den ihr euch belustigt.

Möchtest Du, dass ich Dir Iran in einem Satz erkläre?
»Für dich ist alles verboten!«

 

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Du

Yasser Niksada

Panshir, Afghanistan

 

Im Vergleich zu meinen Schmerzen bist Du klein.
Du sagst zu mir, ich nehme Dir alles weg.
Vielleicht bin ich schlecht.
Vielleicht stört Dich jeder Atemzug, den ich mache.
Ich wünsche dem ärgsten Feind kein Übel.
Aber wisse, dass auch Du möglicherweise
eines Tages alles verlieren kannst.

Der Schmutz des Weges meiner Flucht haftet noch an mir.
Doch vielleicht kann ich eines Tages Dein Leben retten.
Vielleicht nicht.
Es ist nicht Deine Schuld, dass ich auf der Welt
und schließlich hierhergekommen bin.
Bedauerlich, dass meine Existenz Dir Unannehmlichkeiten bedeutet.
Wäre ich an Deiner Stelle, vielleicht wollte auch ich nicht
mit einem wie mir befreundet sein.
Ich opfere mich, um die Welt zu verbessern,
und Du opferst Dich, um mich zu vernichten.
Ein Junge, 15 Jahre alt, dessen Gesicht noch nicht
zerfurcht ist vom Leben, sein Haar noch nicht ergraut.
Aber dessen Herz bereits in tausend Stücke gerissen wurde
durch den Egoismus seiner Mitmenschen.
Er hat alles hinter sich gelassen.
Und er wird nun euren Charakter prüfen.

Meine Mutter sagte:
Sieh!
Wenn die von dieser Welt enttäuschten Menschen schlaflos liegen, ohne Schutz,
dann werden die menschenfressenden Wölfe erwachen.

 

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