Nachdem wir in diesem Jahr schon an verschiedenen Orten deutschlandweit mit Lesungen zu Gast waren, haben wir im Oktober zu unserer ersten Housewarming-Lesung im neuen Poetry-Büro in Berlin Mitte geladen. Zum Auftakt sprach Projektgründerin Susanne Koelbl über die überaus angespannte politische Lage auf der ganzen Welt, und über die negativen Auswirkungen, die diese Situation auf junge Menschen mit Flucht- bzw. Migrationshintergrund hat. Das Projektleitungsteam aus Levke Nissen und Theresa Rüger übertrug diese Gedanken auf das Konzept des Projektes und stellte Nasir Nadeem vor, PEN-Autor und Workshopleiter für unsere Persisch-Workshops. Im Gespräch mit Birgit Schmitz vom PEN Berlin sprach er darüber, wie seine Flucht aus Afghanistan sein eigenes Schreiben beeinflusst hat, um dann auf die Workshop-Teilnehmenden zu sprechen zu kommen, deren lyrische Stimmen ihn sehr beeindruckt haben.

Zur Einstimmung trug er eigene Texte vor und überließ dann unseren jungen Poet*innen die Bühne. Die Lesung vereinte Poesie aus den Sprachen Arabisch, Persisch und Ukrainisch. Da unsere Kurdisch-Workshopreihe erst im Herbst beginnen konnte, hatten wir uns entschieden ihren Texten eine zweite Housewarming-Lesung zu einem späteren Zeitpunkt im November zu widmen.

„Ich bin hier“ ist der Titel eines Gedichts der Afghanin Razia Karimi - passend zu unserem Projekttitel -, die davon berichtet, wie sie Zeugin gewaltsamer Abschiede und erschütternder Verluste wurde: „Ja, ich bin hier,/ den gekrümmten Rücken eines Vaters bezeugend,/ der nicht weiß, welche Wand sein Zuhause ist,/ und doch jeden bröckelnden Ziegelstein lüftet,/ in der Hoffnung seine Kinder zu finden.“ Das Gedicht entwächst der Ohnmacht im Angesicht des Erlebten, das durch seine Artikulation des Geschehenen zwar die Vergangenheit nicht ändern, aber doch einen Verarbeitungsprozess einleiten kann: „Ja, ich bin hier,/ an der dunklen Grenze des Schweigens,/ inmitten des Geflüsters derjenigen, die nicht mehr existieren.“

Unser Publikum war so vielfältig wie die Lesenden selbst: Wir hatten Gäste aus Deutschland, aus dem Iran, Afghanistan, dem Irak, Palästina, der Ukraine und Russland. Es lasen: Ali Alzaeem, Jaklin Shilbaya, Mohamad Zahra, Raghad Isa, Nadiia Kulish, Sarina Mohammadi, Tayebah Joya und Razia Karimi. Wir danken allen, die diesen schönen Abend möglich gemacht haben!

Die Poet*innen mit Lesungspräsenten
Die Poet*innen mit Lesungspräsenten
Foto: © Elisabeth Renger
Angeregte Gespräche nach der Lesung
Angeregte Gespräche nach der Lesung
Foto: © Elisabeth Renger