Daniel, jetzt will ich dir erzählen, warum wir hier sind, in Berlin.

Es war der 23. Februar. Damals, um 10 Uhr abends,
erreichten uns erste Meldungen, dass etwas Bedrohliches bevorstand.
Am nächsten Tag stelle ich gleich morgens früh die Nachrichten an.
Was ich hörte, war erschütternd.
Der Krieg war ausgebrochen.

Ich hastete in den Supermarkt.
Ich kaufte Lebensmittel, so viel ich tragen konnte.
Vater besorgte Benzin.
Fünf Stunden stand er an der Tankstelle.

Dir, Daniel, sagte ich nicht, was um uns her geschah.
Du warst so klein.

Im Keller des Hauses bereitete ich ein Lager aus Kissen.
Ich sammelte Dokumente, Unterlagen, lagerte Lebensmittel.
Für alle Fälle.

Am 3. März fielen Bomben.
Wir mussten schnell fort.

Großvater mussten wir zurücklassen.
Nie zuvor waren wir getrennt.
Ein moldawischer Kleinbus brachte uns an die Grenze.
Die Reise, die sonst 50 Euro kostet, war plötzlich 600 Euro teuer,
pro Person.
Weiter im Zug nach Berlin.

Deine Tante lebte dort, meine Schwester.
Sie nahm uns auf in der Not.
Dabei hatte sie selbst gerade ein Kind geboren und verloren,
Es lebte nur zwei Tage lang.

Das Unglück war in unser Leben getreten.

Du weintest so viel wie noch nie in
deinem Leben.
Dein Bruder diente zu der Zeit als Seemann.
Erst, als er von seiner Schiffsreise wiederkehrte, beruhigtest du
dich.
Endlich gingst du zur Schule.
Sie gefiel dir.
Und dann auch Berlin.

Nach neun Monaten schaffte es Großvater hierher.
Er ist krank.
Er ist nicht kriegstauglich, wie es jetzt heißt.

Endlich waren wir wieder eine Familie.

Daniel, all das war schwierig
wie nichts zuvor.
Ich habe durchgehalten.
Für euch.
Weil ich wusste, dass es hier besser sein würde.
Besser als dort, wo jetzt die Bomben fallen.