Deutschlandweit trafen sich regelmäßig Jugendliche mit und ohne Fluchthintergrund mit Workshopleiter*innen und Übersetzer*innen zum Gedichteschreiben, rund 750 Schreibende kamen über diesen Zeitraum zusammen, und Tausende Gedichte. Die Idee stammt von Projektinitiatorin Susanne Koelbl, die als SPIEGEL-Auslandskorrespondentin in Ländern wie Afghanistan und Iran immer wieder die Kraft der Poesie erfahren hatte. In allen möglichen Alltagssituationen, ob bei einer Taxifahrt oder beim geselligen Abendessen, begegnete ihr dort die Lyrik, und vermochte es Emotionen einen Raum zu verschaffen, die sonst keinen Ausdruck fanden. Fotografisch und gestalterisch wurde das Projekt vom Berliner Künstler Rottkay begleitet, die organisatorische und literarische Leitung übernahm Theresa Rüger.

Wir leben hier wirklich in so einer Art Bubble. Es tut uns einfach gut, uns mit diesen Notsituationen auseinanderzusetzen. Das ist, glaube ich, ein großes Geschenk.

—Herbert Grönemeyer

Geschrieben wurde in der jeweiligen Muttersprache über Themen, die uns alle bewegen. Über das, was die Jugendlichen erlebt haben, was sie erwarten, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Über Fremdheit und Sehnsucht, über Hoffnung und Liebe, nicht zuletzt über Tagespolitisches. Am Ende eines jeden Workshoptages wurden die Werke vorgetragen und gemeinsam gerungen, wie eine bestimmte Textstelle, ein Wort, ein bestimmter Begriff gemeint war, um die treffendste Übersetzung zu finden. Es waren schöne Momente des sich gegenseitigen Erkennens und Erkanntwerdens, für die wir auch öffentliche Bühnen gesucht haben. So wurden die in den Workshops entstandenen Gedichte im Rahmen von Lesungen und Festivals, in Zeitschriften, Radiobeiträgen, Theaterstücken und Filmen präsentiert, damit möglichst viele Menschen am sich fortschreibenden interkulturellen Dialog teilhaben konnten und dies auch über die Projektlaufzeit hinaus weiter können.

The Poetry Project - Gedichtband, 4-sprachig: Deutsch, Persisch, Englisch, Arabisch, 64 Seiten | Gestaltung © 2b4.design
The Poetry Project - Gedichtband, 4-sprachig: Deutsch, Persisch, Englisch, Arabisch, 64 Seiten | Gestaltung © 2b4.design

Ein erster Gedichtband erschien zur Eröffnung des internationalen literaturfestival berlin 2016. Die dort publizierten Texte wurden 2018 mit dem Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis ausgezeichnet und sind seitdem in einer 4-sprachigen Neuauflage unter dem Titel Allein nach Europa in unserem Shop erhältlich. 2019 erhielten unsere Poet*innen Rojin Namer und Shahzamir Hataki den THEO (Berlin-Brandenburgischer Preis für Junge Literatur) in den Kategorien Lyrik und Sprachräume. Rojin wurde zudem mehrfach beim lyrix (Bundeswettbewerb für junge Lyrik) ausgezeichnet. 2019 war sie erstmals Monatsgewinnerin, 2020 Jahresgewinnerin und 2022+2023 dann selbst Teil der Preisjury. Zum Projektabschluss wurde eine umfangreiche Anthologie unter dem Titel Ich wollte bleiben. Ich ging. publiziert, die ebenfalls in unserem Shop erhältlich ist.

Rosen für die Lesenden beim internationalen literaturfestival berlin.
Rosen für die Lesenden beim internationalen literaturfestival berlin.
Foto: © Rottkay