Kaum ein Jahr später schrieb Yasser sein erstes Gedicht über die Erfahrungen, die er auf der Flucht gemacht hat, „Spuren“. „Manche Dinge, die passiert sind auf dem Weg, habe ich verdrängt. Sie kommen jetzt erst durch das Schreiben wieder hoch, und so kommen sie zu einem Abschluss“, erzählte er 2017 in einem Interview mit ZDF tivi. „Jemand, der in Sicherheit und Wohlstand aufgewachsen ist, kann das nicht verstehen. Wenn man es dann aber erklärt, zum Beispiel in Gedichtform, machen sich die Menschen vielleicht Gedanken, was wäre, wenn sie dasselbe Schicksal treffen würde, wie Krieg, Verwüstung oder Hoffnungslosigkeit. Dann können sie es eher nachvollziehen und verstehen.“
Im Iran wie auch in Afghanistan spielt Poesie eine wichtige Rolle, so hatte es auch Projektgründerin und SPIEGEL-Auslandskorrespondentin Susanne Koelbl immer wieder auf ihren journalistischen Reisen erlebt. Gefühle und Geschichten werden in Versen aufbewahrt und werden in ganz alltäglichen Situationen vorgetragen – ob beim Abendessen, bei einer Taxifahrt, beim Einkauf. Das Poetry Project gründet auf dieser Erzähltradition, die von einer besonderen sprachlichen Dichte und emotionalen Tiefe lebt. Dinge, die zunächst unsagbar scheinen mögen, werden so in ein kunstvolles Gespräch verwandelt, umgekehrt bildet sich Verständnis für das scheinbar „Fremde“.